Rauscht es noch oder irritiert es schon?

Über die Kommunikation zwischen Gesellschaft und Hochschulen. Ein Gastkommentar von Holger Backhaus-Maul
Der Soziologe und Verwaltungswissenschaftler Holger Backhaus-Maul ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er arbeitete als Experte für Corporate Citizenship und Engagement (bürgerschaftliches, ehrenamtliches, freiwilliges) im Projekt „Campus und Gemeinwesen“.
Öffentliche Hochschulen sind Teil der Gesellschaft, - auf jeden Fall qua Gesetz. Unter Verweis auf die Freiheit von Forschung und Lehre hat sich erfreulicherweise und mit guten Gründen in Deutschland ein eigenständiges Hochschulsystem herausgebildet und entwickelt. Seit einigen Jahren nehmen die gesellschaftlichen Forderungen an das Hochschulsystem zu. Begriffe wie „Third Mission“, „gesellschaftliche Verantwortung“, „Innovationen“ und „Wissenstransfer“ markieren Eckpunkte dieser öffentlichen Diskussion.
Sinn und Zweck von Kooperationen zwischen Hochschulen und Gesellschaft sind aber keine schlichten Gegebenheiten oder Notwendigkeiten, sondern Gegenstand von Kommunikation. Anfangs haben die daran Beteiligten aber nicht über Inhalte derartiger Kooperationen kommuniziert, sondern sich nur wechselseitig ihre „friedliche Koexistenz“ („Win-Win“, „auf Augenhöhe“, „partnerschaftlich“ …) signalisiert. Eine derartige Kommunikation findet beim jeweiligen Gegenüber in der Regel keine Resonanz, sondern erzeugt allenfalls Rauschen.
Eine produktive – sinnstiftende – Kommunikation über Kooperation hingegen ist voraussetzungsreich: Zunächst einmal bedarf es eines wechselseitigen Interesses aneinander und dann der Bereitschaft – wissensbasiert – zu kommunizieren. Im günstigsten Fall ergeben sich daraus Ansätze zum punktuellen Verständnis des Anderen, das heißt sowohl von Hochschulen als auch von Gesellschaft.
Selten wohldurchdacht und systematisch
Was aber ist die Gesellschaft, die mit Hochschulen kooperieren will? Bei der aktuellen Transfer-Diskussion richtet sich der Blick verstärkt auf die organisierte Zivilgesellschaft mit ihren Verbänden, Vereinen und Initiativgruppen als organisierten Akteuren. Kooperationen zwischen Hochschulen und organisierter Zivilgesellschaft sind in der Regel punktuell und personenbezogen, nicht aber wohldurchdacht sowie systematisch und konzeptionell-strategisch angelegt. Damit bleiben diese Kooperationen weit hinter ihren Möglichkeiten im Sinne eines wechselseitigen Wissenstransfers zurück: So könnte die Zivilgesellschaft ihre Kenntnisse und Erfahrungen für Lehre und Forschung bereitstellen, während Hochschulen ihr fachliches und methodisches Wissen für die Weiterentwicklung und kritische Selbstbeobachtung der Zivilgesellschaft zur Verfügung stellen könnten.
Um aber überhaupt Resonanz beim Anderen zu finden, muss Kommunikation Gewohnheiten irritieren, Bedeutsamkeit erzeugen und neugierig machen, um letztlich kommunikatives Handeln zu initiieren. Die dabei mögliche Kooperation, die von beiden Seiten zunächst Ressourcen fordert, muss zumindest einen Mehrwehrt versprechen, den jeder für sich nicht erzielen kann und der aus den unterschiedlichen Perspektiven von Hochschulen und Zivilgesellschaft eine bedeutsame Innovation in Aussicht stellt.